MAGA als Kuriosität belächeln, Trump-Wähler als „Deppen“ abtun – das hat "Handelsblatt"-Korrespondentin Annett Meiritz hinter sich gelassen. Im Interview mit „Wirtschaftsjournalist:in“-Chefredakteur Marcus Hebein spricht sie über ihre Zeit in den USA.
Acht Jahre in den USA haben ihr gezeigt, wie oberflächliche Empörung den Blick auf die Realität verstellt. Heute warnt sie vor der Pauschalisierungen in deutschen Medien. Die Macht von Trump werde dadurch nur noch gefährlicher, sagt sie im Interview mit „
Wirtschaftsjournalist:in“.
Marcus Hebein: Das Attentat auf Charlie Kirk hat enorme Wellen geschlagen – auch in Deutschland. Warum wurde das Thema auch hierzulande so hitzig debattiert?
Annett Meiritz: Zunächst einmal wegen des Ereignisses selbst: Ein Influencer, der Donald Trump so nahe steht, wird auf offener Bühne erschossen. Ich glaube aber, dass es auch deshalb so viele Emotionen geweckt hat, weil wir die Debatten, die in den USA über Redefreiheit, über konservativ und liberal, über Populismus und Radikalität geführt werden, längst auch hier führen – mit derselben Schärfe. Deshalb hat der Fall auch unsere Gesellschaft getroffen, obwohl Charlie Kirk in Deutschland vorher kaum jemandem bekannt war.
Wie unterschieden sich die Reaktionen in Deutschland und den USA?In den USA habe ich die Debatte differenzierter erlebt. Selbst bei CNN oder bei Ezra Klein in der New York Times war zu hören: Man teilt Kirks Positionen nicht, respektiert aber seine Rolle in politischen Debatten. In Deutschland wirkte das alles deutlich holzschnittartiger, besonders die ersten Reaktionen waren sehr reflexartig. (…)
Wird das Leben für Korrespondenten in den USA jetzt schwieriger?Ja, das ist ein Riesenproblem. Bisher konnten Journalisten relativ unkompliziert ein sogenanntes I-Visum beantragen und damit fünf Jahre lang in den USA für einen deutschsprachigen Arbeitgeber arbeiten. Die Trump-Regierung will diese Frist auf 240 Tage verkürzen. Sollte das so kommen, könnten sich deutschsprachige Redaktionen kaum mehr Korrespondenten ohne Green Card leisten. Das würde das gesamte US-Korrespondentensystem auf den Kopf stellen. Die Unsicherheit ist riesig, viele Redaktionen lassen sich schon anwaltlich beraten. Für die Auslandskorrespondenten wäre das ein Erdbeben.
Thema Wirtschaft: In Deutschland wird die US-Wirtschaft oft negativ dargestellt. Entspricht das Ihrer Beobachtung? Ist die Wirtschaft für Trump derzeit eher eine Schwäche oder eine Stärke?Im Moment ist es eher eine Stärke – auch wenn das vielleicht eine „unpopular opinion“ ist. Erst vor zwei Wochen im Weißen Haus sah man die CEOs von den größten Konzernen, wie sie reihenweise um Trump sitzen und ihn regelrecht anbeten. Sie hoffen natürlich auf Erleichterungen bei den Strafzöllen und auf Nachsicht bei der geplanten, gefährlichen Visa-Verschärfung für ausländische Fachkräfte. Das Konsumklima ist positiv, Monat für Monat kommt ein halber Prozentpunkt dazu. Die Menschen verfallen also momentan nicht in eine kollektive Depression. Die größte Gefahr bleiben die Strafzölle: Sie bringen dem Staat zwar enorme Einnahmen, belasten aber Unternehmen und Verbraucher gleichermaßen. Viele hatten eine Rezession vorhergesagt, bislang ist sie aber nicht eingetreten. Deshalb bin ich bei Horrorszenarien inzwischen sehr vorsichtig. (…)
Welche Tipps geben Sie jungen Journalistinnen und Journalisten, die über die USA berichten wollen – sei es aus dem Land selbst oder aus Deutschland?Mein wichtigstes Learning: Wenn alle in eine Richtung schreiben, immer prüfen, ob es nicht auch andere Narrative gibt; aber ohne dass man dabei zwanghaft dagegenhält. Als ich vor acht Jahren hier ankam, dachte ich: Donald Trump ist schrill und bizarr. Ich habe dabei selbst unterschätzt, dass diese Bewegung ein Land und die Welt verändern wird. Heute würde ich raten: Schaut, ob es neben dem dominanten Erzählstrang noch andere Perspektiven gibt, und fügt sie zusammen, um das Bild vollständiger zu machen. Zweiter Punkt: Nutzt die neuen Formate, aber ohne euch zu verzetteln. Man muss nicht auf 20 Plattformen sein. Lieber ein, zwei Kanäle wie TikTok, Instagram oder ein Newsletter, die man wirklich gut bespielt – dann erreicht man mehr.
Nach acht Jahren in den USA kehren Sie nun nach Deutschland zurück. Was wird künftig Ihr Schwerpunkt im "Handelsblatt" sein?Ich werde im "Handelsblatt"-Hauptstadtbüro die Berichterstattung über Außen- und Sicherheitspolitik übernehmen. Es wird sicherlich weiterhin viel mit den USA zu tun haben, aber es wird eine Umgewöhnung.
Das vollständige Interview lesen Sie in der Printausgabe.