Eine Richterin verbietet die Auswertung beschlagnahmter Daten. Die waren bei einer Razzia in der Redaktion des Finanz-Blog „Inside Paradeplatz“ mitgenommen worden. Nun verzichtet auch die Staatsanwaltschaft auf Revision.
Wie Schweizer Medien berichten, hatten Ermittler im Juni in Büro und Privaträumen des Journalisten Lukas Hässig Computer, Telefon, Dokumente und Notizbücher konfisziert. Hässig wurde der Verletzung des Bankgeheimnisses beschuldigt.
Nun berichtet der Journalist auf seiner Plattform "Inside Paradeplatz", dass die Vizepräsidentin des Zürcher Bezirksgerichts im Sinne der Medienfreiheit entschieden habe. Die Richterin stellte fest, so Hässig, dass „kein auch nur ansatzweise hinreichender Tatverdacht“ für die weitreichenden Zwangsmaßnahmen vorliege.
Diesen Entscheid will inzwischen auch die Staatsanwaltschaft akzeptieren. Er werde nicht beim Bundesgericht angefochten, hieß es dort. Das Zwangsmassnahmengericht war zum Schluss gekommen, dass kein "auch nur ansatzweise ausreichender Tatverdacht" für eine Verletzung des Bankgeheimnisses vorliege.
Die Zürcher Staatsanwaltschaft hatte im Juni in den Redaktionsräumen von "Inside Paradeplatz" (IP) und in der Wohnung von Lukas Hässig eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Dabei stellte sie Computer, Telefon, Dokumente und Notizen sicher. Hässig ließ daraufhin alles siegeln.
Auslöser für die Hausdurchsuchung und die Ermittlung gegen IP war ein Urteil des Obergerichts gewesen. Dieses hatte Beat Stocker, dem Mitangeklagten des ehemaligen Raiffeisen-Chefs Pierin Vincenz, recht gegeben. Stocker hatte eine Verletzung seiner Privatrechte durch IP geltend gemacht.
Auf "Inside Paradeplatz" war im Jahr 2016 ein Beitrag erschienen, gemäß dem Vincenz im Sommer 2015 eine Überweisung von 2,9 Millionen Franken empfangen habe. Darin stellte Hässig einen möglichen Zusammenhang mit der kurz davor erfolgten Akquisition der KMU-Finanzierungsfirma Investnet durch Raiffeisen her.
Dieser Blogbeitrag sowie weitere Recherchen sollen Auslöser von bankinternen Untersuchungen gewesen sein, die schließlich dazu führten, dass die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht aktiv wurde – und der damalige Raiffeisen-Chef Vincenz verhaftet wurde.
Das Bezirksgericht Zürich verurteilte Vincenz im April 2022 wegen Betrugs, mehrfacher qualifizierter ungetreuer Geschäftsbesorgung und wegen mehrfacher passiver Bestechung.
Er erhielt eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten. Stocker kassierte eine Freiheitsstrafe von vier Jahren. Der Obergerichtsprozess ist auf Sommer 2026 angesetzt.
Die Richterin folgte im Fall von Lukas Hässig nun der Argumentation der Verteidigung, dass ein Journalist „zwecks Recherche über mehrere, voneinander unabhängige Quellen verfügen“ könne. Besonders gewichtig fiel die Interessenabwägung der Richterin aus. Sie betonte, dass die Medienfreiheit durch Bundesverfassung und Europäische Menschenrechtskonvention geschützt sei. Lukas Hässig habe „erstmals konkret auf ein allfälliges Fehlverhalten seitens zweier Großbanken“ hingewiesen und damit „im Sinne der Gesellschaft gehandelt“.
Die Richterin hielt fest, dass es „offenkundig falsch“ wäre, eine Strafverfolgung wegen einer „derzeit noch völlig unbelegten“ Bankgeheimnisverletzung höher zu werten als die „pflichtbewusste Berufsausübung“ und die „berechtigte Information der Öffentlichkeit über mutmaßlich weitreichende Gesetzesverstöße in der Finanzwelt“.
Alle beschlagnahmten Datenträger und Unterlagen müssen in gesiegelter Form belassen werden. Der Journalist erhält eine Entschädigung von 2200 Franken aus der Gerichtskasse.
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