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Roman Pletter (Foto: Imago)
11.04.2025   Aktuelles
Roman Pletter und die große Bühne
Der „Zeit“-Wirtschaftschef hat hunderte Gespräche geführt mit Politgrößen und kleinen Leuten, mit CEOs und Top-Ökonomen. Im Interview erzählt er, worauf es auf großer Bühne ankommt.
Für die Printausgabe von „Wirtschaftsjournalist:in“ hat Roland Karle Roman Pletter interviewt. Hier ein Auszug:

„Herr Pletter, Sie sprechen oft mit den ganz Großen aus Politik und Wirtschaft. Erst jüngst mit Angela Merkel und mit Bill Gates. Was hat Sie mehr gefordert?
Roman Pletter: Durch die Live-Situation vor 1200 Leuten im Hamburger Schauspielhaus war das Gespräch mit Angela Merkel anspruchsvoller. Das Schöne am Publikum ist aber, dass es auch Komplize sein kann. Wenn man eine Frage stellt, die unvermittelt oder frech ist, und wenn das Publikum darauf reagiert, etwa wenn die Leute lachen, dann muss sich der Gast irgendwie dazu verhalten.

Wie war das bei Bill Gates?
Gespräche mit CEOs und Entscheidern sind oft sehr eng getaktet und kontrolliert. Für das Interview mit Bill Gates hatten meine Kollegin Johanna Jürgens und ich 60 Minuten, was natürlich viel zu wenig ist, um einer solchen Person und ihrer Rolle gerecht zu werden. Da muss man sehr auf wenige Punkte konzentriert sein.

Sie haben hunderte Gespräche geführt, live und ohne Publikum. Macht Sie jemand wie Frau Merkel noch nervös?
Ein bisschen nervös bin ich vor Live-Gesprächen immer. In diesem Fall war es nochmal besonders, weil es Frau Merkels erster öffentlicher Auftritt war, nachdem sie sich gegen Friedrich Merz gestellt hatte, weil er eine Abstimmung mit der AfD im Bundestag in Kauf genommen hatte.

Dadurch bekam der Auftritt bei der „Zeit“ noch mehr öffentliche Aufmerksamkeit.
Das kann man so sagen. „Bild“ machte sogar einen Live-Ticker, den sie Fernduell nannten, weil Friedrich Merz gleichzeitig woanders auftrat. Es war klar, dass wir Angela Merkel nach ihrer Kritik an Merz fragen müssen, sie hatte sich bis dahin ja nur schriftlich geäußert. Aber wir wussten nicht, wie sie sich dazu verhalten würde. Es hätte sein können, dass sie antwortet: „Ich habe dazu alles gesagt“ – und fertig. Wir hatten tatsächlich zwei Gespräche vorbereitet. Eines für den Fall, dass sie schnell über das Thema hinweggehen wollte. Eines für den Fall, dass sie länger darüber sprechen will. Was sie dann ja auch getan hat.

(...)

Wer war Ihr bislang spannendster Interviewpartner?
Das waren viele, aber einer hat mich besonders beeindruckt: Ökonomie-Nobelpreisträger Robert Solow, der Ende 2023 mit 99 Jahren gestorben ist. Ihn habe ich getroffen für eine „Zeit“-Geschichte mit dem Titel „Die mächtigste Schule der Welt“. Darin ging es um eine Gruppe von Ökonomen, die alle auf dem Höhepunkt der Finanzkrise eine wichtige Rolle spielten – und die in den 1970-er Jahren am MIT bei demselben Doktorvater promovierten: Bob Solow. Unter seinen Schülern waren Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank, Ben Bernanke, Chef der US-Zentralbank Fed, der ehemalige griechische Premierminister Lukas Papademos sowie Olivier Blanchard, Kenneth Rogoff und Maurice Obstfeld, alle Chefvolkswirte des IWF.

Und was war das Besondere an Solow?
Seine Modelle habe ich im Volkswirtschaftsstudium in einer Reihe mit den Theorien der großen Ökonomen aus mehreren Jahrhunderten gelernt. Und dann saß er da leibhaftig, dieser liebenswerte Mann, Mitte 90, mit einer unglaublichen Vitalität und Freundlichkeit. Er sprach mit großer Zuneigung von seinen Schülern, die zum Teil gelernte Ingenieure waren. Darauf sprach ich ihn an und er meinte: Das zum MIT-Ansatz: Auf die Welt und auf die Wirtschaft wie Ingenieure zu schauen und sie zu reparieren, wenn etwas nicht mehr funktioniert. Mir hat das sehr geholfen, das Denken seiner Schüler in der Finanzkrise besser zu verstehen. Bei einem weiteren Treffen in seiner Seniorenresidenz in der Nähe von Boston sprachen wir einige Zeit später darüber, wie er über eine Welt ohne Wirtschaftswachstum denkt. Er meinte, da müsse er nun erstmal die Algebra zu machen. Er war da Mitte 90. So will man doch alt werden!

In der Berichterstattung der Medien dominieren die Berühmten und Mächtigen, auch im Wirtschaftsjournalismus. Sind sie nicht überrepräsentiert und verengen die Perspektive?
Es ist wichtig, auch und gerade im Wirtschaftsjournalismus, dass wir uns mit Eliten auseinandersetzen, mit Entscheidungsträgern, Politikern, CEOs. Aber natürlich müssen wir genauso die Menschen treffen und hören, die von Entscheidungen durch mächtige Menschen betroffen sind. Bei der „Zeit“ tun wir das etwa durch Reportagen in allen Ressorts – seien es solche zur Ausbeutung in der Fleischindustrie oder die Belastung von Unternehmen durch Bürokratie. Ich stehe gerade noch besonders unter dem Eindruck einer Reportage, die unser Kriegsreporter Wolfgang Bauer gerade im „Zeit“-Magazin veröffentlicht hat, nachdem er unter Lebensgefahr das Elend eines Krankenhauses im Sudan recherchiert hatte. Wenn er das nicht macht, macht das weltweit fast niemand mehr.“


Das gesamte Interview lesen Sie in der Printausgabe von „Wirtschaftsjournalist:in“.

 
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