Für seine Rolle beim Klusmann-Rauswurf wurde der "Spiegel"-Wirtschaftschef scharf kritisiert. Bei den KG-Wahlen erzielte er ein mäßiges Ergebnis. Warum ein bekannter, ehemaliger Spiegel-Redakteur sich jetzt aufregt.
Wolfgang Messner schreibt in "
kress.pro": "Sebastian Knauer kann es nicht fassen. „Es ist wirklich ein Graus mit dieser eingenordeten KG. Da wird nach einer Einheitsliste wie bei Honecker gewählt“, schimpft der langjährige ehemalige „Spiegel“-Redakteur, der einst damals noch für den „Stern“ das berühmte Foto des toten Uwe Barschel in der Badewanne des Genfer Hotels „Beau Rivage“ schoss. „Wo bleibt das Selbstbewusstsein der Vertreter der Mehrheitseigentümer, das demokratisch und wirtschaftlich wichtige Nachrichtenmagazin vor seinen eigenen Verlagsgeschäftsführern zu schützen?“, fragt der 75-Jährige erzürnt.
Was Knauer aufregt, ist die Wahl der Mitarbeiter-KG, die mit einem Anteil von 50,5 Prozent beim „Spiegel“ das Sagen hat. In diesem Jahr gab es nur fünf Kandidaten für die fünf Plätze in der KG-Führung, die getrennt nach Redaktion (2), Verlag (2) und Dokumentation (1) gewählt werden.
Mit Spannung war vor allem das Ergebnis für Markus Brauck, Leiter der Wirtschaftsredaktion und zuletzt Vorsitzender der KG-Führung, erwartet worden. Ihm war intern von vielen der Sturz des beliebten Chefredakteurs Steffen Klusmann 2023 angelastet worden. Braucks Wiederwahl galt daher lange als ungewiss. Mit dem „Königsmörder“ hatten viele eine Rechnung offen. Doch die Revolution fiel aus. Manche Aspiranten schreckten offenbar vor einer Kampfkandidatur zurück, weil sie im Fall einer Nichtwahl Negativfolgen für die hausinterne Karriere fürchteten.
Das Ergebnis von Brauck fiel mäßig aus. Trotz fehlender Gegenkandidaten erhielt er nur 57,2 Prozent der Stimmen (206 von möglichen 360). Ein Vertrauensbeweis für einen Amtsinhaber sieht anders aus.
Die zweite Kandidatin für die Vertretung der Redaktion allerdings, Friederike Freiburg, konnte noch weniger überzeugen. Sie erzielte gerade einmal 47,8 Prozent der möglichen Stimmen. Vermutlich ein Manko bei ihr: Sie hat viele Sympathien in der Onlineredaktion, von denen aber längst nicht alle stimmberechtigt in der KG sind.
Bessere Ergebnisse erzielten die anderen Kandidaten. Tobias Kaiser aus der Dokumentation erreichte 75,3 Prozent. Auch Uwe Jürgens (64,1 Prozent) und Manuel Wessinghage (60,8 Prozent) schnitten als Verlagsvertreter mäßig ab, aber immer noch besser als Brauck und Freiburg.
Auffällig: In der Redaktion war auch die Wahlbeteiligung am niedrigsten. 103 Redakteurinnen und Redakteure gaben ihre Stimme erst gar nicht ab. Womöglich auch ein Zeichen des stillen Protests. Trotz der mäßigen Zustimmung in der Redaktion hat Brauck die mächtige Rolle des Sprechers der KG übernommen.
Nicht allein der Wahlausgang regt Ex-Redakteur Knauer auf, sondern auch, dass es in dem einst nach innen und außen streitbaren und diskursiven Magazin überhaupt nur diese fünf Kandidaten für die Geschäftsführung der Mitarbeiter-KG gab. „Das ist ganz klar gegen den Geist der KG-Satzung“, so Knauer, der daran erinnert, dass „Spiegel“-Gründer Augstein stets für ein streitbares Magazin im Sinne eines kritisch-liberalen Standpunkts des „Sturmgeschützes der Demokratie“ eintrat. Standen früher für die zwei Posten, die die Redaktion repräsentieren, oft mehrere Kandidaten zur Auswahl, sucht man heute solche Alternativen vergeblich. „Das ist alles sehr bitter und ein Armutszeugnis für ein Magazin mit der Geschichte des ‚Spiegel‘“, sagt Knauer."
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