Eher zufällig ist der Betriebswirt im Fachjournalismus gelandet und hat in führenden deutschen Agrarverlagen Karriere gemacht. Er kann mehr als Schreiben.
Im Gespräch mit Roland Karle für „
Wirtschaftsjournalist:in“ erzählt er, wie sich die Geschäftsmodelle der Landwirtschaftsverlage verändern, warum sich Redakteure mit Güllefahren auskennen sollten und wie man überhebliche CEOs entlarvt. Ein Auszug:
„Wäre das Unternehmen Windreich nicht in wirtschaftliche Turbulenzen geraten, dann hätte es Claus Mayer womöglich niemals in den Journalismus geweht. Doch der damalige Windkraft-Pionier schlitterte in die Insolvenz und Mayers Job als Assistent des CEO wurde obsolet. Gut elf Jahre ist das nun her. „Ich hatte nie irgendwelche Pläne in diese Richtung, aber plötzlich ergab sich die Gelegenheit, ein Volontariat bei ,top agrar‘ zu absolvieren“, erzählt der 40-Jährige. Kurz nachgedacht, fand er es sehr reizvoll, „zu lernen, wie Journalisten arbeiten“.
Beim Landwirtschaftsverlag (LV) in Münster, einem breiten Publikum bekannt geworden durch das Bestseller-Magazin „Landlust“, arbeitete Claus Mayer rund sechseinhalb Jahre für das Fachmagazin „Top Agrar“. Er war zuständig für mehrere Regionalredaktionen, verantwortete das Printressort Landtechnik und die Onlinekanäle – und erledigte seinen Job offenkundig so überzeugend, dass es auch dem Wettbewerb auffiel. Der Deutsche Landwirtschaftsverlag (DLV) machte Mayer zum Chefredakteur des Landtechnikmagazins „Traction“, gerade sieben Jahre zuvor gegründet und erfolgreich im Markt unterwegs.
Als der Neue im Frühjahr 2020 startete, war gerade die Corona-Pandemie aus- und das bis dahin erlösstarke Print-Kioskgeschäft eingebrochen. Deshalb habe sich die Redaktion schnell gefragt: „Was ist eigentlich unser USP?“ Aus den Antworten entstanden frische Formate, zum Beispiel das „Traction“-Bootcamp, aufgezogen als Mini-Feldtag, an dem Technikhersteller, Landwirte und Influencer zusammentreffen und alle Maschinen einer Kategorie miteinander vergleichen. Außerdem arbeiteten die Fachjournalisten für die Redaktionen anderer Medien, die Bedarf an fundiertem Wissen über Landtechnik hatten, und wurden Teil des neu gebildeten „Kompetenzteams Landtechnik“ im DLV.
Mittlerweile führt Claus Mayer die 2021 gegründete Digitalagentur „Vier D“, einen Fullservice-Anbieter für die grüne Branche und laut Eigenwerbung „Wegbereiter für die digitale Revolution in der Agrarbranche“. Die Agentur firmiert als Genossenschaft, sie gehört Bauernverbänden und ihren Verlagen, darunter auch der DLV. Als Chefredakteur lernte Mayer das Start-up kennen, weil „Vier D“ „Traction“ bei der Umsetzung neuer Erlösfelder unterstützte. „Mich hat es schon im Redakteursalltag immer gereizt, auch den geschäftlichen Part zum Fliegen zu bekommen“, sagt der Agrarwissenschaftler mit Ökonomie-Studium (MBA). Und er blickt heute anders auf die Rolle von B2B-Medien: „Wenn man den USP einer Fachredaktion ohne Scheuklappen neu definiert und überlegt, was wirklich ihre Kernkompetenz ist und wie sie diese auf die Straße bringen, dann landet man eher im Agentur- statt im Mediengeschäft.“
Den Mix aus Fachstudium, BWL und Journalismus sieht Claus Mayer als hervorragende Voraussetzung für seine Arbeit – jetzt bei Vier D und zuvor in den Redaktionen. Schon im Volontariat beim Landwirtschaftsverlag Münster habe er gelernt, wie wichtig Eigenschaften sind wie: Zuhören, Menschen einschätzen, hinterfragen. Er erinnert sich zum Beispiel an eine Episode mit Klaus Josef Lutz, seinerzeit Vorstandschef der Baywa AG. Der habe bei Bilanzpressekonferenzen und Interviews immer „den übertrieben selbstsicheren Manager gespielt, bei Nachfragen zu Eigenkapitalquote oder Expansionsstrategie wurde er aber sofort dünnhäutig“, so Mayer.
Das weckte den Betriebswirt in ihm. „Ich habe die Finanzkennzahlen durchgerechnet, ohne mich auf andere zu verlassen. Die Zahlenbasis passte spot on zum menschlichen Verhalten“, erzählt der Journalist. „So wiesen wir schon 2018 darauf hin, dass die Baywa bei einer Zinswende schnell in Schwierigkeiten stecken dürfte, was für unsere Leserschaft – Bauernfamilien – ziemlich relevant war. Zum Glück arbeitete ich damals für eine Chefredaktion, die sich traute, das zu drucken.“
Von guten Agrarjournalisten erwartet Claus Mayer, „dass sie für die Leserschaft, die Bauernfamilien, arbeiten, und den Mund aufmachen, wenn die Interessen des Agribusiness denen entgegenlaufen – auch wenn das Anzeigen kostet oder für die Karriere nach dem Journalismus schlecht ist“. Ein Beispiel aus dem echten Leben liefert er gleich mit. „Jahrelang wurden Landwirte, die die Pflicht zur bodennahen Gülleausbringung skeptisch sahen, als ewig gestrig und unprofessionell abgestempelt, auch in der Agrarpresse. Das war von der Wissenschaft und der Landtechnikindustrie, den Anzeigenkunden, getrieben“, sagt Mayer.
Dabei hatten die Landwirte überzeugende Argumente. „Kleinbetriebe können nicht 80.000 Euro in Gülleausbringtechnik investieren, das geht dann nur überbetrieblich, was wiederum bedeutet, dass man das beste Wetterfenster zum Güllefahren verpasst, weil das Fass nicht verfügbar ist“, erklärt der Experte. Für die Emissionssenkung sei jedoch das Wetter viel wichtiger als die Art der Verteilung. Heute gebe es etwa in Bayern eine staatliche App, die einem beim passenden Wetter die Ausbringung mit der alten, günstigen Technik erlaubt. Mayer kritisiert die eigene Zunft: „Wie viele von uns haben damals diese Landwirte ernst genommen und ihnen den nötigen Raum gegeben?“ (…)
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