Der WDR-Investigativjournalist erwartet nach den Cum-Ex-Ermittlungen die Aufdeckung weiteren, noch größer angelegten Steuerbetrug.
Bei der Rückschau auf zehn Jahre Cum-Ex-Ermittlungen gibt Massimo Bognanni in „
Wirtschaftsjournalist:in“ einen Einblick in das bisherige Verfahren und was als nächstes kommen wird. Ein Auszug aus dem Gespräch mit Christina Keppel:
Herr Bognanni, Steuerhinterziehung ist kein neues Phänomen. Was unterscheidet Cum-Ex von anderen Fällen?
Massimo Bognanni: Ein wesentlicher Unterschied ist, dass Cum-Ex laut Bundeskriminalamt als organisierte Kriminalität eingestuft ist. Es geht also nicht darum, dass jemand das Finanzamt angeschwindelt hat. Hier sind schwer kriminelle Strukturen am Werk. Die Beteiligten haben ein System erarbeitet, sie gehen arbeitsteilig vor, sind bestens vernetzt – teils bis in die Politik – und schreiben sogar an Gesetzen mit. Sie vermeiden nicht nur Steuern, sie greifen in die Staatskasse – zu unser aller Lasten.
Ist Cum-Ex zu groß für das deutsche Justizsystem?
Es gibt jedenfalls ein gewaltiges Ungleichgewicht zwischen denen, die Cum-Ex und ähnliche Modelle betreiben und denen, die versuchen, es aufzuklären. Einige Großbanken unterhalten dafür eigene Abteilungen. Auf ganzen Etagen in den Hochhäusern sitzen bestens ausgebildete und schlaue Köpfe über Steuerliteratur und beschäftigen sich mit nichts anderem als mit steuergetriebenen Ertragsmodellen. Das heißt: Sie suchen nach Schlupflöchern in der Steuergesetzgebung. Dasselbe gilt für große Wirtschafts- und Steuerkanzleien. Insofern ist Cum-Ex-Kriminalität nicht an Landesgrenzen gebunden. Nicht nur Deutschland, sondern auch Länder wie Dänemark sind extrem geschröpft worden.
Als investigativer Journalist stellen Sie eine Bedrohung für die Cum-Ex-Akteure dar. Was bedeutet das für die journalistische Arbeit?
Wir bedrohen niemanden, sondern arbeiten daran, das, was sonst im Verborgenen passiert, ans Licht zu bringen. Die Gegenseite hat daran naturgemäß kein Interesse, ist juristisch hochgerüstet, auch presserechtlich. Für die Redaktionen ist so ein komplexes Fachgebiet ohnehin schon schwieriges Terrain. Ich habe mehrfach mit dem mittlerweile verurteilten ehemaligen Steueranwalt Hanno Berger kommuniziert. Der walzt einen mit Steuerparagrafen förmlich nieder. Selbst, wenn man sich als einzelner Journalist davon nicht verunsichern lässt, braucht es mutige und starke Redaktionen, die dem Druck standhalten. Entscheidend ist die Beleglage: Man muss sich seiner Sache als Journalist sehr sicher sein. Die Erkenntnisse aus den strafrechtlichen Ermittlungen haben zusätzlich wichtige Aufklärung geleistet.
Machen Sie das mal konkret: Inwieweit hat die Arbeit der Staatsanwaltschaft Ihnen bei Ihrer investigativen Recherche geholfen?
Letztlich haben die hartnäckigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft mit dem ersten rechtskräftigen Cum-Ex-Urteil endgültig mit der Legende aufgeräumt, die Akteure hätten lediglich ein Schlupfloch genutzt. Ohne die Ermittler, die Zeugen vernehmen, Kontobewegungen auswerten, Menschen abhören oder Gebäude durchsuchen können, würde diese Legende womöglich noch heute in Artikeln zu lesen sein.
(…)
Gehört Cum-Ex denn jetzt eigentlich der Vergangenheit an oder geht der Steuerraub weiter?
Vieles liegt noch im Dunkeln. Die Aufarbeitung gerät vielmehr gerade an einem Punkt ins Stocken, wo es an die großen Akteure gehen müsste, an große Banken wie die Deutsche Bank oder die WestLB. Immerhin wird in Siegburg ein neues Gerichtsgebäude gebaut, in dem in drei großen Sälen Cum-Ex-Prozesse geführt werden sollen. Davor müsste die Staatsanwaltschaft Köln aber gegen weitere Beschuldigte Anklage erheben. Was wir bereits wissen: Mit Cum-Cum steht bereits die Aufarbeitung des nächsten Rekordbetruges vor der Tür, und der ist mutmaßlich noch größer als Cum-Ex, da sind noch viel mehr Banken beteiligt. Ob die Staatsanwaltschaften das Thema angehen werden, ist noch offen. Wir werden das im Auge behalten.“
Das gesamte Interview lesen Sie in "Wirtschaftsjournalist:in".