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News / Sebastian Matthes zu den Fakten
Sebastian Matthes (Foto: Max Brunnert)
10.01.2025   Aktuelles
Sebastian Matthes zu den Fakten
Der „Handelsblatt“-Chefredakteur zur Arbeitsweise seriöser Medien. Warum er das Thema aufgreift.
 
"Es ist Zeit, über unseren Journalismus zu sprechen“, schreibt er in seinem jüngsten Kommentar im "Handelsblatt". Zuckerberg und Musk behaupteten, die Meinungsfreiheit zu retten. „In Wahrheit gefährden sie das Fundament unserer liberalen Demokratie.“ Sebastian Matthes beginnt mit den vier Grundsätzen des Qualitätsjournalismus:
 
„Erstens: Wir veröffentlichen keine Informationen, die nicht mit geprüften Dokumenten oder mindestens zwei voneinander unabhängigen Quellen belegt sind. Das tun wir auch dann nicht, wenn wir uns noch so sicher sind, dass die Information stimmt. Bei heiklen Storys brauchen wir sogar noch mehr Quellen.
 
Zweitens: Wir trennen in unserer Berichterstattung sehr klar zwischen Fakten und Meinung. Was nicht ausschließt, dass wir am Ende einer Recherche auf der Basis aller Fakten zu einer bestimmten Bewertung gelangen. Aber die Bewertung steht niemals am Anfang einer Recherche.
 
Drittens haben Anzeigenkunden keinerlei Einfluss auf unsere redaktionelle Arbeit, egal, wie viel sie bei unserer Anzeigenabteilung buchen. Wenn ein Unternehmen Budgets streicht, weil einem Konzernchef unsere Berichterstattung nicht passt (was immer mal wieder vorkommt), erfährt die Redaktion davon nicht einmal.
 
Und viertens: Wenn wir Kontakt mit dem Kanzleramt oder Ministerien haben, dann natürlich nicht, um Themen abzusprechen, sondern um Informationen abzufragen, um sie mit unseren Recherchen zu konfrontieren – oder um ein Interview mit Olaf Scholz zu vereinbaren.“
Diese Qualitätsgrundsätze gebe es bei Facebook, Twitter, Tiktok und Instagram in dieser Form nicht. Die Plattformen würden nicht wie traditionelle Medien behandelt, obwohl sie ebenfalls Inhalte verbreiten. Für die geposteten Beiträge haften sie grundsätzlich erst einmal nicht, Medien dagegen schon. „Das ist das Ergebnis von intensivem Lobbying in Brüssel und Washington. Und wenn sie, die Plattformen, dann doch mal zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie Beiträge löschen sollen, die sie veröffentlichen, dann nennen sie das Zensur“, schreibt Sebastian Matthes.
 
Dabei gehe es keinem der Tech-Bosse um Meinungsfreiheit. Wenn sie über Freiheit sprächen, dann meinten sie ihre eigene Freiheit als Unternehmer. Zuckerberg zum Beispiel wolle keine Verantwortung mehr dafür übernehmen, was erfundene Meldungen anrichten, die über seine Plattform verbreitet werden.
 
(...)
„Es ist eine gefährliche Allianz, die da entsteht: Eine Welt ohne Faktenchecks und ohne professionellen Journalismus hilft den Populisten wie auch den Plattformen. In einem Klima der Unsicherheit und Desinformation gedeiht nicht nur Misstrauen (was den Populisten politisch hilft) – es gedeihen auch die Klickraten (und mit denen steigen die Werbeerlöse).“
 
Der Chefredakteur des „Handelsblattes“ räumt selbstkritisch ein: „Natürlich läuft auch bei Qualitätsmedien nicht alles perfekt. Es passieren Fehler. Mitunter wird politisch einseitig berichtet. Und es fallen auch mal wichtige Themen unter den Tisch. Aber am Ende trägt dafür eine Redaktion die Verantwortung.
 
Auch in einem Krankenhaus passieren Fehler. Aber verlassen Sie sich deshalb lieber auf Wunderheiler? Wahrscheinlich nur, wenn Sie zu lange auf Fake-News-Plattformen unterwegs waren.
Um gesund zu bleiben, brauchen Demokratien glaubwürdige, faktenbasierte Informationen. Sie brauchen eine kritische Öffentlichkeit, die zwischen Lüge und Wahrheit unterscheiden kann. Und sie brauchen Medien, in denen Menschen diese Unterscheidung vorfinden. Auch das ist den Tech-Kumpanen ein Dorn im Auge. Sie verachten traditionelle Institutionen und Medien wie die „New York Times“.
 
Diese Entwicklung ist nichts anderes als ein sehr bewusster Angriff auf das Fundament unserer Demokratie.“


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