Was bleibt vom Bilanzskandal nach zehn Jahren? Der britische „Financial Times“-Journalist bilanziert.
Im Gespräch mit „
Wirtschaftsjournalist:in“ blicken Dan McCrum und Christoph Giessen („Süddeutsche Zeitung“) auf die Jahre ihrer Recherche zurück. Dan McCrum hatte 2015 erstmals kritische Berichte über Wirecard veröffentlicht. 2019 legt er offen, dass Wirecard Abrechnungen frisierte. 2020 brach das Betrugssystem zusammen.
Der britische Journalist auf die Frage, warum das Thema heute noch relevant ist. Ein Auszug:
„ Weil die Geschichte nicht zu Ende ist. Deutschland hat noch einiges aufzuarbeiten. Markus Braun, der ehemalige Vorstandsvorsitzende, steht noch vor Gericht, und der Prozess gegen den ehemaligen Finanzvorstand hat noch nicht einmal begonnen. Einer der Hauptschuldigen, Jan Marsalek, ist auf der Flucht. Aber auch journalistisch bleibt Wirecard relevant. Es gibt noch viele Betrüger da draußen. Und in einer Zeit, in der Fake News und Misstrauen dominieren, sind grundlegende journalistische Fähigkeiten wichtiger denn je: Whistleblowern zuzuhören und Fakten selbst zu überprüfen, war bei Wirecard entscheidend und bleibt es.
(…)
Gibt es Ihrer Meinung nach Bereiche, die in der Berichterstattung bisher nicht ausreichend beleuchtet wurden?
Zwei große Fragen sind noch offen: Das volle Ausmaß von Jan Marsaleks Aktivitäten als russischer Spion ist noch nicht tiefgehend erforscht, ebenso wenig wie die außergewöhnliche Nachsicht, die Wirecard von deutschen Behörden und Wirtschaftsprüfern wie EY genoss. Dass Inkompetenz eine Rolle spielt, ist wahrscheinlich, doch das allein als Ursache anzunehmen, nichtbefriedigend. Ich hoffe, dass diese Themen in Deutschland noch weiterverfolgt werden.“
Angang Januar 2025 wurde in der „Süddeutschen Zeitung“ gemeldet, dass das Gericht einige Vorwürfe gegen Markus Braun fallen lassen will. Um schneller zu einem Urteil zu kommen, will das Gericht nicht mehr alle Vorwürfe verhandeln – sie fielen kaum ins Gewicht, so die Begründung. Die Anklage gegen den Ex-Wirecard-Boss und zwei frühere Untergebene sei fast 500 Seiten dick.
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