Der stellvertretende Leiter der WDR-Abteilung Investigativ sieht Bewegung im CumEx-Prozess. Warum der Prozess vor dem Landgericht Bonn für ihn und weitere Kollegen nun noch spannender wird.
Auch im „
Handelsblatt“ berichten Sönke Iwersen und Volker Votsmeier vom Strategiewechsel des Kronzeugen, der seine Verteidiger kurz vor Prozessbeginn vor die Tür gesetzt hat. „Deutschlands fleißigster Zeuge in Sachen Steuerhinterziehung hegte lange Zeit eine leise Hoffnung. Wenn er sich den Strafverfolgungsbehörden weit genug öffnen würde, wenn er den Ermittlern die Hintergründe und die Zusammenhänge in der Cum-Ex-Affäre genau erklären würde und wenn er seine eigene Schuld gestände, auch seine Komplizen belastete, würde ihn das womöglich vor einem Strafprozess bewahren.“ Diese Hoffnung zerschlug sich mit der Anklage der Staatsanwaltschaft Köln.
Massimo Bognanni schreibt auf Linkedin: „Gemeinsam mit "Mr. CumEx" Hanno Berger war S. jahrelang groß im Geschäft, betrieb mit Berger sogar eine eigene Kanzlei. 2012 rückten erstmals die Ermittler an, Berger floh in die Schweiz – und S. entschied sich nach einem Verteidigerwechsel, auszupacken. Eindrücklich schilderte S. in seinen mittlerweile neun Zeugenaussagen vor Gericht, wie sein Anwalt Dierlamm bei einem Meeting im Flughafen Zürich, seine großen Hände auf den Tisch legte und Berger und einer "Phalanx" an weiteren Akteuren verkündete, dass S. zur Staatsanwaltschaft gehen und aussagen würde.
Mehrere Jahre lang sagte S., immer gerahmt von seinen Verteidigern Tido Park und Alfred Dierlamm bei der damaligen Kölner Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker aus. Mal schlingerte er, mal verschwieg er Dinge. Doch er leistete einen Beitrag - und gewann weitere Insider dazu, auszupacken.
In unzähligen Prozessen sagte S. über Jahre als Zeuge aus – zuletzt im Olearius-Verfahren.
Die Strategie: Einen derart wichtigen Aufklärungsbeitrag zu leisten, dass der "Kronzeugenparagraph" 46b in Frage kommt – und womöglich ohne Haftstrafe aus dem millionenschweren Griff in die Staatskasse herauszukommen. Die Staatsanwaltschaft Köln hat – inzwischen ohne Chefermittlerin Brorhilker, die zur Finanzwende gewechselt ist – unlängst Anklage gegen S. erhoben.
Kurz vor Prozessbeginn engagiert S. nach Recherchen von Volker Votsmeier und Soenke Iwersen nun den Hamburger Strafverteidiger Gerhart Strate. Letzterer hat in Strafanzeigen zum Ausdruck gebracht, dass er CumEx als verwerfliche Straftat sieht.
Wechselt S. nun die Verteidigungsstrategie? Dass er sich von früheren Aussagen distanziert, erscheint unwahrscheinlich. Schließlich hat er sie als Zeuge unter Eid geleistet. Die alte Strategie mit einem neuen Verteidiger umzusetzen, der sich nun einarbeiten muss, erschließt sich auch nicht auf den ersten Blick. Der Prozess vor dem Landgericht Bonn dürfte also spannend werden.“
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