Das Wirtschaftsressort betreut viele Fachgebiete. Welches besondere Gebiet sich bei der „Welt“ Anja Ettel herausgesucht hat, beantwortet sie zusammen mit ihrem Kollegen Andreas Macho.
Für das Magazin „Wirtschaftsjournalist:in“ hat Roland Karle mit Anja Ettel und Andreas Machogesprochen, wie sie zu dem Fachgebiet kamen und was sie daran besonders spannend finden. Hier ein Auszug aus dem Interview:
Frau Ettel, Herr Macho, die Gesundheitsökonomie ist ein komplexes Gebiet. Wie sind Sie zu Experten geworden? Anja Ettel: Die einfache Antwort ist: lesen, lesen, lesen und vor allem fragen, fragen, fragen. Wirklich hilfreich sind Menschen, die tief drin sind in dieser Branche und die sich die Zeit nehmen, uns die Hintergründe zu erklären: Wie der Krankenhaussektor wurde, was er ist. Warum der Markt für Antibiotika so krank ist. Und so weiter. Das hilft enorm dabei, sich ein möglichst umfassendes Bild der Lage zu machen.
Andreas Macho: Nachfragen ist wohl das wichtigste Mittel. Man sollte sich auch von den ganzen Fachtermini nicht abschrecken lassen. Oft verstecken sich Mediziner hinter einem Wust an lateinischen Termini und wollen ihre Autorität damit unangreifbar machen. Doch auch bei komplexen Sachverhalten sollte man den Hausverstand nicht ausschalten und hinterfragen, wo einem etwas unstimmig erscheint. Man muss sich halt trauen, auch naive Fragen zu stellen und zuzugeben, wenn man kein Wort verstanden hat. Wenn man das penetrant genug macht, erklären es einem die meisten Gesprächspartner irgendwann auch verständlich auf Deutsch.
Was reizt Sie daran? Ettel: Die Gesundheitsbranche ist ähnlich wie Landwirtschaft und Ernährung eine der Branchen, die uns alle unmittelbar betreffen. Wir alle waren oder sind irgendwann mal Patienten. Vieles von dem, was in diesem Sektor passiert, geht also viele Menschen an, ist zum Teil hochbrisant. Und genau diese gesellschaftliche Relevanz macht den besonderen Reiz aus.
Macho: Das sehe ich wie Anja. Die Nähe zum Leser und zu dessen Alltagswirklichkeit führt automatisch zu einem hohen Nachrichtenwert dieser Geschichten. Zudem sind viele Bereiche der Branche emotional aufgeladen. So gut wie jeder hat einen Bezug zu Krankenhäusern oder Pflegeheimen und hat dort vielleicht schon allerhand erlebt. Durch diesen persönlichen Bezug kann man eine Brücke zum Leser schlagen. Probieren Sie mal, den Leser mit einer Dampfturbine oder anderen industriellen Gütern emotional zu packen. Da haben wir es im Medizinbereich wesentlich einfacher.
Über Medizin, Pharma, Wissenschaft – zudem in Verbindung mit wirtschaftlichen Fragen – verständlich zu berichten, damit tun sich viele schwer. Wie schaffen Sie das? Macho: Was mir stark hilft, sind Besuche bei Akteuren vor Ort. Gerade in Kliniken und Pflegeheimen gibt es oft weitreichende Probleme, unter denen Mitarbeiter und oft auch die Geschäftsführung leiden. Hört man diesen Menschen zu, bekommt man den Block automatisch mit Geschichten gefüllt. Zudem hilft die Recherche vor Ort enorm beim Aufschreiben. So lässt sich die Komplexität der Branche auf konkrete Situationen und bildhafte Beschreibungen herunterbrechen. Damit bleibt man auch für ein breites Publikum verständlich.
Ettel: Wir sind beide keine Mediziner oder Naturwissenschaftler – auch wenn ich sehr lange Ärztin werden wollte. Aber dass wir nicht vom Fach sind, hat sogar Vorteile. Als Außenstehender nimmt man die Usancen der Branche eben nicht als gegeben hin – und dieser Blick von außen hilft dabei, die Sachverhalte grundlegend zu hinterfragen und sich alles genau erklären zu lassen. Das macht es hinterher leichter, dem Leser komplexe Inhalte verständlich zu erklären.
Dank digitaler Messung lässt sich erkennen, welche Artikel besonders oft und intensiv gelesen werden. Welche Nutzungsmuster und Beliebtheitswerte werden bei der Berichterstattung zu gesundheitsökonomischen Themen deutlich? Ettel: Beliebt sind natürlich besonders die Themen, die sehr viele Menschen etwas angehen. Weil sie es selbst schon ähnlich erlebt haben oder weil es sie als Patienten oder Ärzte grundsätzlich betrifft. Denken Sie nur an den Medikamenten- und Antibiotikamangel. Davon ist so gut wie jeder betroffen. Auch unsere Berichterstattung zum jüngsten Apothekerstreik und unsere Artikel über mögliche Nebenwirkungen der Covid-19-Impfungen haben ein großes Publikum interessiert. Schwieriger ist die Berichterstattung über Unternehmen. Während bekannte Konzerne wie Bayer das breite Publikum oft per se interessieren, muss man für Firmen aus der zweiten oder dritten Reihe häufig einen Dreh finden, der auch die Leser interessiert, die sonst mit der Pharmabranche nicht viel zu tun haben.
Macho: Nach meiner Beobachtung werden zudem oft jene Geschichten gut geklickt, die aktuelle Themen mit einem eigenen Ansatz aufgreifen und sich damit von der bloßen Nachricht abheben. Wenn etwa Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die Krankenhausreform vorstellt, reicht es eben nicht, diese Reformpunkte bloß vorzustellen. So haben wir dem Leser etwa eine Einordnung gegeben, was das Reformwerk konkret für ihn bedeutet oder mit Krankenhausbetreibern über mögliche negative Folgen der Reform gesprochen. Auch die Form des Kommentars kann Lesern gerade bei komplexen Themen eine rasche Einordnung geben und ist deshalb sehr beliebt.“
Das vollständige Interview lesen Sie im Magazin „Wirtschaftsjournalist:in“.