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Peter Littger: "Catch and kill"
09.06.2023   Aktuelles
The Heimlich Journalism: Alternativen zu Bestechung und Schweigegeld
Was Journalisten wissen müssen, wenn sie Anglizismen verwenden. Peter Littger ist Autor und Kolumnist, u. a. für die „Wirtschaftswoche“ und ntv.de.
Seit Jahren beschäftige ich mich mit der englischen Sprache – und dem Bemühen deutschsprachiger Medienleute, ihrer Herr zu werden.
 
Dabei lerne ich selbst immer wieder dazu. Kennen Sie zum Beispiel den Ausdruck „unputdownable“? So kann man ein Buch beschreiben, das einen fesselt und das man nicht mehr aus der Hand geben, also ablegen will. Fesselt unterdessen eine Nachricht, ist in Großbritannien vom „marmalade dropper“ die Rede und in den USA vom „muffin choker“. Am einen Ende des Atlantiks tropft also der Aufstrich vom Brot, weil man es vor lauter Staunen schräg hält, und am anderen Ende bleibt einem der Teig im Hals stecken. Das kann dann jenes Manöver erzwingen, das in jedem New Yorker Restaurant erklärt wird und das einen unheimlich komischen Namen trägt: „The Heimlich Maneuvre“. Benannt nach dem Mediziner Henry Heimlich soll es Menschen vor dem Ersticken bewahren. Dafür umschlingt man den Betroffenen mit den Armen von hinten und bildet eine Faust vor der Magengrube, um den steckengebliebenen Fremdkörper aus Luftoder Speiseröhre zu pressen.
 
Während ich mir manchmal einen ähnlichen Handgriff für Kolleginnen und Kollegen wünsche, die Nachrichten oder Gerüchte in den falschen Hals kriegen, gibt es eine wahrhaft heimliche Methode, um etwas aus Journalisten herauszupressen – Wissen oder Material, das andere belasten würde. Sie heißt: „Catch and kill“. Der Begriff fällt in die Kategorie praktischer Wortpaare, die einen Ausschnitt des Lebens auf einen Slogan verkürzen und greifbar machen. Denken Sie an „bed and breakfast“, „law and order“, „park and ride“, „pros and cons“, „give and take“, „wait and see“ – und, was in der journalistischen Zunft besonders beliebt ist: „copy and paste“. Aufgefallen war mir „catch and kill“ im Zusammenhang mit Donald Trumps Auftritt vor Gericht. Es wurde berichtet, der Verlag American Media habe im Auftrag der Redaktion „National Enquirer“ einem Pförtner im Trump Tower 30.000 Dollar gezahlt, weil er von einem unehelichen Kind Trumps wusste. Veröffentlicht wurde diese Geschichte allerdings nie – sie wurde durch den Deal vielmehr aus dem Verkehr gezogen. Dasselbe passierte dem Playmate Karen McDougal, einer ehemaligen Geliebten Trumps, die ihre Geschichte für 150.000 Dollar ebenfalls exklusiv an American Media verkaufte. Auch diese Story wurde nie veröffentlicht.
 
„Catch and kill“ ist übrigens nicht illegal – es ermöglicht vielmehr eine Alternative zur Bestechung oder zum Schweigegeld. Und es zeigt den Wert von Journalismus, wenn der Stoff nur pikant genug ist. Das nennt man im Englischen übrigens „juicy“ oder „saucy“.
 
Peter Littger ist sprachbesessener Autor und Kolumnist, u. a. für die „Wirtschaftswoche“ und ntv.de. Er hat den Nr.-1-Bestseller „The devil lies in the detail“ geschrieben. Im November 2021 erschien sein jüngstes Buch „Hello in the round! Der Trouble mit unserem Englisch – und wie man ihn shootet“.