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News / Owen Walker zum Ende von Credit Suisse
FT-Bankenexperte Owen Walker zur Schweizer Bankenkrise. (Foto: FT)
05.05.2023   Aktuelles
Owen Walker zum Ende von Credit Suisse
Die Berichterstattung über den Zusammenbruch der Credit Suisse wurde praktisch in allen Ländern von zwei Medien dominiert: Von Bloomberg und von der Financial Times. FT-Reporter Owen Walker erzählt im Gespräch mit „Wirtschaftsjournalist:in“-Chefredakteur Marcus Hebein, wie es zum Zusammenbruch kam und wie er und seine Redaktion das historische Wochenende erlebten.
Mr. Walker, das Wochenende um den 19. März gilt in der Schweiz als "historisch", das Ende der Credit Suisse war bis wenige Tage zuvor praktisch undenkbar. Wie beurteilen Sie selbst diese Ereignisse?

Wenn ich auf die letzten Monate zurückblicke, fällt mir Ernest Hemmingways berühmtes Zitat über den Bankrott ein: „Er kommt auf zweierlei Weise: erst schleichend, dann plötzlich.“ Mehrere Jahre taumelte die Credit Suisse von einer Krise in die nächste. Während die Zahlungsfähigkeit und die Liquidität der Bank nie besonders gefährdet schien, bestand das Grundproblem der Bank darin, dass ihre Kunden und Geschäftspartner die Geduld und das Vertrauen verloren. In den letzten Monaten des Jahres 2022 zogen die Kunden mehr als 100 Milliarden Franken ab, auch in diesem Jahr ging das weiter - bis schließlich alle den Rückzug antraten. Es war ein klassischer Bank-Run - allerdings standen die Kunden nicht Schlange, sondern zogen ihr Geld elektronisch ab. Am 19. März war klar, dass die Credit Suisse entweder gerettet, verstaatlicht oder abgewickelt werden musste. Es gab keine anderen Möglichkeiten.

In der Schweiz war es bis wenige Tage vor diesem Wochenende fast undenkbar, dass die CS in existenzielle Probleme kommen könnte. Erst recht, dass irgendwann die UBS die CS übernehmen könnte. Wann wurde diese Option für Sie erstmals zu einem realistischen Szenario?

Seit Anfang Oktober auf Twitter unbegründete Gerüchte über einen drohenden Kollaps der Credit Suisse kursierten und die Kunden darauf mit dem Abzug ihrer Ersparnisse reagierten, war klar, dass die Bank in einer sehr prekären Lage war. Einige Wochen später stellten der Verwaltungsrat und das Managementteam die neue Fünfjahresstrategie vor, die Aktionäre waren davon völlig unbeeindruckt. Damals hörte ich erstmals von Gerüchten, dass man sich in der Schweiz auf einen möglichen Zusammenbruch der Bank vorzubereiten begann. Aber selbst damals gab es noch die Erwartung, dass sich die CS irgendwie durchmogeln würde. Erst als dann Anfang März mittlere US-Banken in Schwierigkeiten gerieten, gab es in der Schweiz die ernsten Befürchtungen, dass die CS als nächstes dran sein könnte. Die UBS hatte sich schon seit einiger Zeit auf ein solches Szenario vorbereitet und begann, es ernster zu nehmen. Ich wusste von diesen Plänen, aber erst in den Tagen vor dem Wochenende vom 18. und 19. März wurde mir klar, dass tatsächlich etwas unmittelbar bevorstand.

In den Tagen vor dem 19. März, was war Ihre persönliche Einschätzung, wie sich die Dinge mit der CS entwickeln würden?

Ich hielt es für das wahrscheinlichste Szenario, dass das Management versuchen würde, die Restrukturierug voranzutreiben, dann aber gezwungen sein würde, noch radikalere Maßnahmen zu ergreifen, da die Aktionäre die Geduld verlieren würden. Anfang März berichteten wir, dass Harris Associates, ehemals größte Aktionär und langjähriger Unterstützer des Vorstands, seine gesamte Beteiligung an der Bank verkauft hatte. Viele andere langjährige Aktionäre waren bereits ausgestiegen, und die Bank war immer mehr von einer kleinen Gruppe von Investoren aus dem Nahen Osten abhängig. Ich rechnete damit, dass die Bank Bereiche wie die Vermögensverwaltung und das Inlandsgeschäft verkaufen oder ausgliedern müsste und dass am Ende nur eine wesentlich kleinere Vermögensverwaltung übrigbleiben würde.

Wann haben Sie zum ersten Mal gehört, dass die UBS Gespräche zur Übernahme der CS führt?

Am Morgen des 17. März rechneten wir damit, dass sich das Schicksal der Credit Suisse im Laufe des Wochenendes entscheiden würde. Am Wochenende zuvor hatten wir den Zusammenbruch der Silicon Valley Bank und den überstürzten Verkauf der britischen Schwestergesellschaft an HSBC erlebt. Wir bereiteten uns auf ein arbeitsreiches Wochenende vor, um über die potenziell historischen Ereignisse auf dem Laufenden zu bleiben. Am Freitagabend erhielt ein Kollege den Hinweis, dass die UBS ein Angebot für die Credit Suisse vorbereitet, wir konnten das durch mehrere Quellen bestätigen. Noch am selben Abend gingen wir mit der Meldung raus.

Die Schweizer Medien haben an diesem Wochenende fast ausschließlich die Berichterstattung der FT und von Bloomberg übernommen. War die Berichterstattung der Schweizer Medien an irgendeinem Punkt der Geschichte für Ihre eigene Berichterstattung relevant?

Um ehrlich zu sein: Das ganze Wochenende ist ein bisschen verschwommen. Wir haben zwar verfolgt, was andere Medien berichteten, konzentrierten uns aber hauptsächlich darauf, mehr Informationen von unseren Quellen zu erhalten und Tipps untereinander auszutauschen, die wir dann bestätigten und weitere Geschichten über den Fortgang der Verhandlungen veröffentlichten.

Gibt es andere deutschsprachige Medien, deren Berichterstattung Sie für relevant halten?

Ich halte mich über die wichtigsten Bankgeschichten auf dem Laufenden, die in Schweizer Zeitungen wie der NZZ, der SonntagsZeitung und Finews gebracht werden. Außerdem lese ich jeden Morgen den Blog „Inside Paradeplatz“ - wie die meisten Zürcherinnen und Zürcher, die im Finanzbereich arbeiten. Lukas Hässig hat im Laufe der Jahre einige beeindruckende Geschichten aufgedeckt und verfügt mit Sicherheit über gut vernetzte Quellen, auch wenn einige der Berichte etwas sensationslüstern sind. Wenn er nicht einflussreich wäre, hätte die Credit Suisse nie erwogen, ihn zu verklagen!
 
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Die Schweizer Regierung bestreitet, dass die Übernahme durch die UBS an diesem Wochenende nur aufgrund des internationalen Drucks auf die Schweiz beschlossen wurde. Wie sehen Sie das?

Es gab eindeutig eine intensive Kommunikation zwischen den Aufsichtsbehörden und Zentralbanken innerhalb und außerhalb der Schweiz an diesem Wochenende und in den Tagen davor. Ich bin mir sicher, dass die Regulierungsbehörden in anderen Ländern ihre Meinungen sehr deutlich zum Ausdruck gebracht haben. Aber letztlich war es eine Entscheidung, die die Schweizer Behörden und die UBS zu treffen hatten.

Es wurde auch gesagt, dass die FT (und auch Bloomberg) von Politikern aus den USA, Großbritannien und möglicherweise Frankreich "benutzt" wurde, um mit ständig durchgesickerten Informationen enormen Druck auf die Schweizer Regierung auszuüben. Wie ordnen Sie diese Anschuldigung ein?

Ich werde mich nicht zu Quellen äußern. Aber ich kann sagen, dass die FT kein Organisation ist, die sich von Politikern oder Wirtschaftsführern für deren Agenda benutzen lässt. Unser Leitspruch lautet "Without fear and without favour", und wir sind zu Recht stolz auf unser Engagement für unabhängigen Journalismus.

Schweizer Medien berichten von schweren Schäden am Bankenplatz Zürich. Ist das Ihrer Meinung nach wirklich so?

Die Schweiz hat nicht mehr zwei global systemrelevante Banken, sondern nur noch eine. Dieser Deal wird zu zehntausenden von Stellenstreichungen führen, viele davon in Zürich. Aufgrund der Art und Weise, wie mit Aktionären und Gläubigern umgegangen wurde, ist der Deal sehr umstritten. Kurz gesagt, der Ruf der Schweiz als Zentrum für umsichtiges und stabiles Bankwesen ist schwer beschädigt worden – die Erholung wird Jahre dauern.


Das vollständige Interview mit Owen Walker lesen Sie im Magazin "Wirtschaftsjournalist:in".
 
 
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