In der Schweizer Medienwelt brodelt es. Nachdem Anschuka Roshani im „Spiegel“ Vorwürfe gegen einen ehemaligen Tamedia-Chefredakteur erhoben hat, berichtet die Wirtschaftsjournalistin Patrizia Laeri von Übergriffen eines Redakteurs des Schweizer Fernsehens (SRF). Sie fordert dazu auf, das Schweigen zu brechen.
„Es ist, als ob mit Roschanis Text ein Damm gebrochen wäre“, sagt Patrizia Laeri dem Schweizer Online-Nachrichtenportal „Watson“. „Viele Frauen stehen jetzt mit Namen hin und erzählen von ähnlichen Erlebnissen.“ Die 45-jährige Laeri ist Wirtschaftsjournalistin und leitet das Finanz- und Medienportal „elleXX“. Nach den Enthüllungen sammeln sie und ihr Team via Aufruf über Instagram weitere Fälle von Sexismus und Mobbing.
„watson“ hat bei Laeri nachgefragt, was damals genau vorgefallen ist. Die heute 45-Jährige erzählt: „Es ist in meinen ersten Wochen bei SRF passiert. Ein Redaktor hat mir Hilfe angeboten. Als wir allein in einem Raum waren, probierte er plötzlich, mich zu küssen. Ich habe gesagt: Nein, bitte hör auf, bitte hör auf! Er hat entgegnet: doch. Trotz mehrerer Neins hat er es weiter versucht, bis ich ihn weggestossen habe. Ich musste mich körperlich wehren.“
Gemeldet habe sie den Vorfall nie bei SRF, erzählt Laeri. „Ich war in Schockstarre und wusste nicht, an wen ich mich hätte wenden sollen.“ Am nächsten Tag habe der Redaktor so getan, als sei nie etwas passiert.
Erzählt hat Laeri den Vorfall nur einer Person: der nächsten Praktikantin. Diese machte die gleichen Erlebnisse. „Bei ihr hat er es auch versucht“, erinnert sich Laeri. „Es war offenbar seine Masche.“
Seiner beruflichen Karriere taten die Übergriffe keinen Abbruch. Der Redaktor hat heute eine Leitungsfunktion bei SRF inne, wie Laeri sagt. Sie habe heute mit einer jungen Frau gesprochen, die bei SRF arbeitet, erzählt die Wirtschaftsjournalistin. „Laut ihr begeht die Person immer noch Grenzüberschreitungen. Ich konnte es nicht fassen. 20 Jahre sind vergangen und er ist immer noch da.“
Laeri meint selbstkritisch: „Wer wegschaut und schweigt, trägt toxische Betriebskulturen mit. Ich habe geschwiegen. Ich fühle mich heute mitschuldig.“
Laeri arbeitete von 2003 bis 2020 beim Schweizer Fernsehen. Von Juli bis August 2020 war sie Chefredaktorin bei CNN Money Switzerland.
Das sagt das Schweizer FernsehenBei SRF hat man die Posts von Laeri «mit grossem Bedauern zur Kenntnis» genommen. „Bei SRF gilt bei sexueller Belästigung und bei sexistischem Verhalten Nulltoleranz“, sagt Gerhard Bayard, Leiter HR & Change bei SRF gegenüber „watson“. Die vorliegenden Fälle seien SRF bisher nicht bekannt gewesen, da sie nie gemeldet worden seien.
SRF ist jedoch an einer Aufklärung der Vorfälle interessiert. Es hat mit Laeri in Verbindung gesetzt. Gemäss Bayard hat sich in den vergangenen Jahren viel getan bei SRF. Es seien diverse Maßnahmen zum Schutz der persönlichen Integrität erarbeitet worden.
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