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News / Sport ist Business mit obszönen Summen
Benjamin Hofmann stellt im "Kicker" wirtschaftliche Verflechtungen des Fußballs dar. (Foto: Kicker)
09.12.2022   Aktuelles
Sport ist Business mit obszönen Summen
Je größer der Einfluss von Diktatoren, Scheichs und Wirtschaftskonzernen wird und je mehr Geld das Spiel verändert, desto größer das Unbehagen beim Publikum. Was das für die Arbeit von Wirtschafts- und Sportjournalisten heißt, dieser Frage ist unser Autor Roland Karle nachgegangen.
Sport ist Unterhaltung, und da wollen Fans beim Mitfiebern um Tore, Siege und Rekorde nicht belästigt werden. Gilt das noch?  Über Gehälter, Transfersummen, Medienrechte, Sponsoring und all die Protagonisten, die sich der Ballgesellschaft bemächtigt haben, vom Ölscheich bis zum Oligarchen, von Clubchefs bis zu Spielerberatern, wird auf, aber auch jenseits der Sportseiten mehr berichtet als früher. „Fußballökonomie ist ein großes Thema in den Medien“, so Christoph Bertling vom Institut für Kommunikations- und Medienforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS).
 
Der Großteil des Publikums konsumiert Fußball und den Sport zur Unterhaltung, mag die Spannung eines Wettkampfs, das Mitfiebern mit dem Lieblingsclub, die Geschichte von Siegern und Verlierern. „Der Sport bietet eine Form von Eskapismus, da will man nicht von negativer Begleitmusik gestört werden“, sagt Wissenschaftler Bertling. Das gelingt zunehmend weniger, wie etwa an den Olympischen Winterspielen in China und der laufenden Fußball-WM in Katar zu erkennen ist. „Selbst in die klassische Sportberichterstattung mischt sich oft ein kritischer Unterton“, so der Medienforscher.
 
Auch Sportfans seien sensibler geworden für wirtschaftliche, politische und ökologische Fragen. Bertling: „Die Sorglosigkeit ist weg.“ Die – als übertrieben empfundene – Kommerzialisierung des Sports und speziell des Fußballs haben Journalisten nicht neu entdeckt. So hat der „Kicker“ zum Beispiel schon 1984, also vor fast 40 Jahren, in der Serie „Aus Profi- wurde Profitfußball“ über „Misswirtschaft, überhöhte Gehälter, die Liga am Rand des Ruins“ berichtet.
 
Die Themen sind immer noch aktuell, nur die Beträge anders: Aus dem Millionen- ist ein Fantastilliarden-Geschäft geworden. Im „Kicker“, seit über 100 Jahren so nah und kompetent am Fußball wie kein anderes deutsches Sportmedium, hat bereits vor Jahren eine feste Rubrik „Kicker Business“ eingeführt, die meist als Doppelseite in der Montagsausgabe erscheint, und greift ökonomische Themen häufig tagesaktuell auf Kicker.de auf. Der zu ständige Redakteur Benjamin Hofmann beobachtet an der Rückmeldung via Leserbrief, Mails und in den sozialen Medien ein gestiegenes Interesse an kritischer Begleitung des Kommerz-Fußballs.
 
Auch die Zugriffszahlen bei entsprechen den Berichten auf Kicker.de seien gut bis sehr gut. „Katar ist da sicher einer der Treiber, ganz allgemein aber die Skandalgeschichte speziell der Verbände in den letzten 10, 15 Jahren. Neben den Menschenrechten spielt auch die Vergabe eine Rolle, siehe Russland 2018“, so Hofmann. Hinzukomme, dass „durch die lange Nullzinspolitik und das hohe Interesse an Sportswashing wahnsinnig viel Geld im Markt ist, das sorgt für obszöne Summen und naturgemäß für Kritik“.
 
Peter Rohlmann ist ein profunder Kenner des Sportbusiness. 1995 hat er der Inhaber der Agentur PR Marketing in Rheine seine erste Merchandising-Studie veröffentlicht und sie bis heute immer wieder aktualisiert. „Damals war selbst in den Clubs das Wissen über Wirt schafts- und Vermarktungsfragen wenig ausgeprägt.“
 
Rohlmann hat auch den Fußballfan-Kosten-Index entwickelt und erforscht zum Beispiel den Zusammenhang von Trikotdesign und Verkaufserfolg. Das macht ihn zu einem gefragten Experten für Themen rund um das Sportbusiness. Rohlmann stellt fest, dass „die Anfragen audiovisueller Medien zuneh men, ebenso nach datenbasierten Analysen. Auch ausländische Medien fragen nun häufiger nach Entwicklungen und Trends“. Das Publikum interessiere sich für Sportbusiness-Themen stärker als noch vor einigen Jahren, so sein Ein druck. Die Medien wünscht er sich zupa ckender. „Da wird oft noch zu oberflächlich und zu wenig kritisch berichtet“, so Rohlmann.
 
Wenn dem so sein sollte, dann hat das „Handelsblatt“ ein viel gelobtes Gegenbeispiel geliefert. Der Bericht über die Pläne der Deutschen Fußball-Liga, über eine Tochtergesellschaft Investoren an den Medienrechten zu beteiligen, „das war eine starke Geschichte“, lobt „Kicker“-Redakteur Hofmann. Die Wirtschafts- und sonstigen Medien außer halb der Sportpresse können aber noch zulegen. Er habe das Gefühl, dass gerade die nicht immer unumstritten agieren den Verbände wie die FIFA ein wenig aus dem Fokus gefallen seien, so Hofmann. „Erstaunlicherweise berichten etwa über die Berateraffäre beim DFB nur noch die ,Süddeutsche‘ und der ,Kicker‘.“ Dafür haben es, siehe oben, Bundesliga-Marketing und Stadionnamen schon ins „FAZ“-Feuilleton geschafft.


Den kompletten Beitrag finden Sie in der aktuellen Ausgabe der "Wirtschaftsjournalist:in".
 
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